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Neben dem Studium: Jobben, Ausland und Social Skills

Auch wenn die Jobsituation Corona-bedingt derzeit nicht so rosig ist: Für die deutliche Mehrheit der Studierenden in Deutschland ist das Studium alles andere als der alleinige Lebensmittelpunkt.
Veröffentlicht am 22.11.2020

Die Hard Skills – also die praktischen Fähigkeiten –, die im Universitäts- oder Fachhochschulstudium vermittelt werden, lassen sich ganz gut aus dem Studienplan ablesen. Wie gut jemand diese wissenschaftliche Basis im Beruf umsetzt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich davon, wie sehr sich der oder die Studierende in der Ausbildung „reinkniet“; das wiederum reflektieren die Zeugnisse ganz gut. Zusätzlich spielen aber auch die Soft Skills eine große Rolle dabei, ob und wie gut sich jemand in ein Team einfügt und mit den zu erledigenden Aufgaben zurechtkommt. Also z.B. die jeweilige Stressresistenz, die individuelle Belastbarkeit, die sich nicht zuletzt in der nebenberuflichen Tätigkeit während der Studienzeit optimieren lässt.

Ein Nebenjob ist für Studierende meist selbstverständlich
Wer sich mit Studienabschluss ohne berufliche Praxis auf Jobsuche begibt, gehört zunehmend zu einer Minderheit. Gerade mit der Corona-Krise hat sich für viele einerseits die Notwendigkeit erhöht, aufgrund der wirtschaftlichen Veränderungen in der eigenen Familie eine zusätzliche finanzielle Absicherung zu finden. Gleichzeitig wurde genau das schwieriger: einen Nebenjob zu bekommen. So haben die Juso-Hochschulgruppen in einer Studie an der Freien Universität Berlin erhoben, dass bis Mai 2020 – also in den ersten zwei Monaten, seit die Pandemie weltweit zu Lockdowns führte – 35 Prozent der (online) Befragten ihren Nebenjob verloren haben.

Der finanzielle Schaden wurde bis dahin mit durchschnittlich 1.570 Euro beziffert. Und der überwiegende Teil der Betroffenen gab an, „zumindest teilweise“ von Existenzängsten geplagt zu werden. Dabei zeigte sich, dass v.a. Studierende aus Arbeiterfamilien übermäßig betroffen waren, nämlich zu 41 Prozent. Wer einen familiären Akademikerhintergrund hat, der sorgte sich statistisch gesehen nur halb so sehr: 19 Prozent gaben entsprechende Ängste zu Protokoll. Befragt wurden insgesamt 654 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für diese Studie, die damit laut FU Berlin hinsichtlich der Bildungsherkunft repräsentativ ist.

Motivation: Unabhängigkeit vom Elternhaus
Aber selbst, wenn es aufgrund der persönlichen bzw. familiären wirtschaftlichen Lage nicht nötig ist, dass jemand zusätzliches Geld verdient und sich in dem Sinne zu hundert Prozent auf das Studium konzentrieren kann: Im Jahr 2020 sollten Hochschulabsolventen keine tatsächlichen Berufseinsteiger mehr sein. Denn aus Arbeitgebersicht werden Menschen mit Erfahrung in der Team-Zusammenarbeit anderen Bewerberinnen und Bewerbern wohl stets vorzuziehen sein. Unternehmen funktionieren nun einmal grundsätzlich anders als ein Hörsaal. Aber das beherzigt in den letzten Jahren bereits eine deutliche Mehrheit der deutschen Studierenden.

Schon 2016 hatten mehr als zwei Drittel unter ihnen einen Nebenjob. Dieser Anteil hatte sich seit 2012 um sechs Prozent erhöht, die Tendenz ist eindeutig. Und sie zeigte sich auch bei den Fachhochschulen wo damals ebenfalls bereits 65 Prozent der Studierenden jobbten. Als Motiv dient mehrheitlich die Steigerung des Lebensstils. Man will sich etwas leisten können und die finanziell unterstützenden Eltern entlasten, was zugleich die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit steigert.

72 Prozent der Studierenden möchten sich „etwas mehr leisten“ können, 62 Prozent erhoffen sich mehr „Unabhängigkeit von den Eltern“. Weit über die Hälfte (59 Prozent) der Studierenden ist demnach aber auch tatsächlich „auf eigenen Verdienst zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen“. Dabei kommt bei 53 Prozent allerdings durchaus auch das Streben nach praktischer Erfahrung als Motivation zum Zug. Etwas mehr als ein Drittel ist auf die Vernetzung und „Kontakte für eine spätere Beschäftigung“ aus. Ein gutes Fünftel (21 Prozent) „möchte sich mit Nebenjobs absichern und/oder hofft, sich dadurch Beschäftigungschancen unabhängig vom Studienabschluss sichern zu können“.

Multikulturalität als grundlegender Wert einer Generation
Ebenso zur „Abnabelung“, vor allem aber zur Horizonterweiterung und zur Steigerung der eigenen Chancen am Arbeitsmarkt trägt für viele Studierende ein Auslandsaufenthalt bei. Wenngleich dies aufgrund der anhaltenden pandemischen Zustände nur eingeschränkt möglich ist. Dennoch wird auch in einfacheren Zeiten wieder gelten: Wer eine zusätzliche Sprache erlernt und seine interkulturellen Kompetenzen mit einem Auslandssemester zum Beispiel in Osteuropa, Asien oder Südamerika erweitert hat, dem wird auch im Berufsleben mehr zugetraut.

Studentin oder Student zu sein, das impliziert nun einmal auch, dass man offen für andere Menschen ist. Dass man sich zu vernetzen versteht und Multikulturalität als einen grundlegenden (Mehr-) Wert erkennt. Nicht zuletzt der erfolgreiche „Bologna-Prozess“ hat es Studierenden leichter gemacht, ein Auslandsstudium zu erleben bzw. die Finanzierung dafür aufstellen zu können. Die jüngste statistische Erhebung des Bundes für Deutschland ergab 2017, dass gut 140.000 Deutsche im Ausland studierten. Seit 2013 recht konstant blieb das Verhältnis von Studentinnen und Studenten im Ausland zu jenen, die ihrem Studium in der deutschen Heimat nachgingen: „2017 kamen auf tausend deutsche Studierende an inländischen Hochschulen 55 deutsche Studierende an ausländischen Hochschulen“, heißt es im Bericht.

Als Ziel stehen traditionell die direkten Nachbarländer hoch im Kurs: Frankreich, die Schweiz, Österreich oder auch die Niederlande nehmen jährlich jeweils zumindest 5.000 Studierende aus Deutschland als Gäste auf. China, die USA und das Vereinigte Königreich sind ebenfalls sehr beliebt. Auf den Rest der internationalen Gemeinschaft teilen sich dann nur mehr um die 25 Prozent unserer Auslandsstudierenden auf.

Erste Wahl als „Expat“
Noch einmal darf aus Arbeitgebersicht vermutet werden: Wer die organisatorischen Mühen und behördlichen Voraussetzungen für einen längeren Auslandsaufenthalt für Studienzwecke gemeistert hat, der- oder diejenige eignet sich auch tendenziell für eine Entsendung als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter an einen anderen Firmenstandort. So jemandem traut man zu, ein umfassendes Projekt voranzutreiben und auch Teamkolleginnen und -kollegen dabei „mitzunehmen“. Allein schon der Mehrwert, mit Kunden aus anderen Ländern ein zwangloses Gespräch in deren Sprache zu führen, darf nicht unterschätzt werden.

Dennoch: Auslandserfahrung von Absolventinnen und Absolventen als Muss zu definieren, wäre unfair. Nicht jede Lebenssituation verträgt sich mit einem „Erasmus“-Austausch. Und augenzwinkernd ist anzumerken: Wie brächten wir unsere mit Steuergeldern finanzierten Unis voll, wenn sich der wissenschaftliche Nachwuchs vollständig über den Rest der Welt verstreuen würde?

Nicht nur die Fachkompetenz zählt im Berufsalltag
Neben den wissenschaftlichen Werkzeugen, deren Erwerb und deren Befähigung zur Anwendung dem Einzelnen durch einen Studienabschluss bestätigt wird, können auch eingangs erwähnten „Soft Skills“ den entscheidenden Unterschied am Arbeitsmarkt machen. Diese können etwa durch eine sportliche Betätigung in einem Verein bzw. in Team-Wettbewerben erworben werden.

Gemeint sind aber zudem bestimmte methodische Fähigkeiten. Ein besonderes Organisationstalent und die Kompetenz zum Selbstmanagement: Also, ob jemand damit zurechtkommt, bestimmte Vorgaben mit den gerade zur Verfügung stehenden Ressourcen bis zu einer streng definierten Deadline zu erreichen? Natürlich geht es dabei um die individuelle Stressresistenz, um die Bereitschaft zu Flexibilität und herausragender Leistung, sowie dem dafür ausschlaggebenden Verantwortungsbewusstsein.

Auch die viel zitierten sozialen Kompetenzen können durchaus geübt werden. Und dafür kann sogar ein speziell ausgebildeter „Sparring-Partner“ zur Hilfe gerufen werden: So mögen zum Beispiel für den Aufbau des benötigten Durchsetzungsvermögens, der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit schon einmal eine oder mehrere Coaching-Sessions hilfreich sein.

Ehrenamtliches Engagement
Wer nicht ausschließlich der finanziellen Komponente wegen einer praktischen Tätigkeit neben dem Studium nachgehen muss, der kann aus einem ehrenamtlichen Engagement viel für sein Leben mitnehmen. Und anderen vieles geben: Bei der Geflüchteten-Hilfe, im Bereich der Altenpflege oder als Rettungssanitäter sind zwei helfende Hände stets willkommen. Neben der Unterstützung für Mensch und Gesellschaft, die damit geleistet wird, profitiert auch der oder die Ehrenamtliche stark davon. Allein die gesteigerte Stressresistenz, die daraus resultieren wird, kann in keinem Beruf schaden.

 

Photo by Cristi Tohatan on Unsplash

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