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Der wertvolle Blick von außen

Die typische Karriere, die unsere Eltern und Großeltern durchliefen, ist immer schwieriger möglich. Aber ist es überhaupt erstrebenswert, ein Arbeitsleben lang im selben Bereich, geschweige denn im selben Unternehmen tätig zu sein? Insbesondere in Zeiten der steigenden Arbeitslosigkeit lohnt es sich mit Alternativen zu beschäftigen, die zu den eigenen Interessen und Kompetenzen passen.
Veröffentlicht am 30.06.2021

Ein Hoch auf alle, die rundum zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit sind. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und viele Menschen in Deutschland - vor allem Männer - sind ganz im Gegenteil sehr unglücklich mit dem Job, den sie täglich ausüben (müssen). Bis zu 50 Prozent geben in Untersuchungen an, dass sie sich liebend gerne beruflich verändern würden. Am Job, den man hat, hängt aber natürlich auch das regelmäßige Einkommen. Und in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit überlegt man wohl lieber einmal mehr, bevor man den Absprung ins Ungewisse wagt: Schließlich soll das familiäre Zusammenleben nicht ohne Not gefährdet werden. 

 

Wer sich jemals gefragt hat, ob und wie der Quereinstieg in ein neues Fachgebiet gelingen könnte: Mit ausreichend Anstrengung gibt es durchaus gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Selbstverständlich wird man nicht ohne neue Ausbildung als Rechtsanwalt durchstarten können, wenn man bisher als Maschinenbauer oder als Pressesprecher für eine Lokalpolitikerin tätig war. Wenn jemand immer schon großartige Betriebssysteme programmieren wollte, kann die Teilnahme an einem Coding-Bootcamp als passende Grundlage herhalten: In wenigen Wochen oder gar Tagen erwirbt man eine Basis, von der aus man sich in einem neuen Unternehmen on the Job weiterentwickeln kann.  

 

Außenblick 

Mitunter hat sich jemand schon seit jeher für den Flugzeugbau interessiert, ohne jemals ein technisches Studium als Möglichkeit ins Auge gefasst zu haben. Aber die Person bringt aufgrund einer bisherigen Tätigkeit vielleicht genau den Blick von außen mit, um sich mit Fragestellungen zum Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft und Flugverkehr zu beschäftigen, welche die Branche weiterbringen. Im Marketingbereich könnten solche Leute einen ganz neuen Drive reinbringen - und eine Weiterbildung bzw. das Lernen on the Job sind in diesem Fall deutlich einfacher, als ein komplettes technisches Studium nachzuholen.  

 

Eventuell wird man sich damit abfinden müssen, wieder ganz von vorne anzufangen, was die Karriere betrifft. Aber mit ausreichend beruflicher Erfahrung aus der bisherigen Tätigkeit wird der Weg nach oben diesmal einfacher. Und mit genau diesem Bewusstsein und der Bereitschaft, durch großes Interesse und viel Fleiß seinen Teil zum Unternehmenserfolg beizutragen, kann man auch ganz gut in einem Bewerbungsschreiben punkten. 

 

Wie eingangs erwähnt gibt es aber natürlich auch jene glücklichen Menschen, die immer schon wussten, welchen Beruf sie ergreifen möchten. Die idealerweise auch noch ein Talent dafür besitzen und problemlos die entsprechend notwendige Ausbildung durchlaufen können.  

 

Und dann gibt es all die anderen, die ein wenig länger brauchen und noch nicht quasi in der Sandkiste von ihren Lebenszielen geträumt haben. Die vielleicht ein, zwei Semester das falsche Studium an der Hochschule inskribieren, bevor sie endlich das für sie tatsächlich perfekte Fach finden. Oder die sogar eine vollständige Ausbildung durchlaufen, nur um nach einigen Jahren zu merken: Das ist es nicht. Schließlich bleibt noch jene Gruppe der Multi-Talentierten: Sie tun sich schwer, aus einer Vielzahl an Disziplinen, die sie allesamt brennend interessieren, die eine zu wählen, um sich zu vertiefen und zu spezialisieren. Die an das technische Grundstudium einen sozialwissenschaftlichen Master aufsetzen. 

 

Quereinsteiger als Bereicherung im Unternehmen 

Nicht für jeden Menschen ist es freilich möglich, sich mit Mitte 40, neben Familie und Beruf, noch einmal neu zu orientieren und z.B. (wieder) an eine Hochschule zu gehen. Aber je nachdem, wie die berufliche Umorientierung aussehen soll, ist das auch gar nicht nötig. Denn berufserfahrene Menschen, die ihren Lebensunterhalt künftig in einer bislang fremden Branche verdienen wollen, können für das aufnehmende Unternehmen durchaus eine Bereicherung sein.  

 

Der Bereich, der seit vielen Jahren wohl am stärksten in praktisch jedes andere Fachgebiet eindringt, ist wohl die IT: Naturwissenschaftler genauso wie z.B. Flugzeug-Ingenieurinnen kommen nicht mehr ohne zumindest ein Grundwissen im Programmieren aus. Allein schon um die Kolleginnen und Kollegen der entsprechenden Abteilungen in einem Unternehmen grundlegend zu briefen und anschließend halbwegs beurteilen zu können, was diese abliefern. Wer also aus seiner angestammten Branche in die IT wechseln möchte, kann sein Glück durchaus im Selbststudium versuchen. 

 

Bootcamp für IT-Berufene 

Aber auch über das bereits erwähnte Coding-Bootcamp kann der Quereinstieg gelingen: Wer sich immer schon fürs Programmieren interessiert hat, aber nie die Zeit dafür frei machen konnte, es sich selbst beizubringen, der kann es dort kompakt, in wenigen Wochen, erlernen. Natürlich heißt es nach dem Erwerb der Basics - in welchen Programmiersprachen auch immer - erst einmal „üben, üben, üben. Aber genau das kann einem der richtige Arbeitgeber ermöglichen, dessen Unternehmenskultur offen für frische Talente ist. Denn deren ursprüngliche Kompetenzen, deren ganz eigener, unverstellter Blick auf die Branche kann einen Kreativitätsschub für das gesamte Team mit sich bringen. 

 

Insofern ist also die Aussage Jeder kann IT! nicht völlig falsch. Selbst unsere Großeltern gehen heutzutage schon wie Profis mit Smartphones um und kommen mit Updates von Apps und Betriebssystemen zurecht. Wer einen neuen Job beginnt und in diesem Zusammenhang ein Diensthandy und einen Laptop ausgehändigt bekommt, erhält weniger denn je die Unterstützung eines IT-Administrators. Es wird einfach angenommen, dass man es schafft, die Geräte in Betrieb zu nehmen, sich die benötigten Benutzerkonten einzurichten und die relevante Software zu installieren. Unabhängig davon sind die notwendigen bzw. vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen - Einrichtung von Virenscannern, Firewalls etc. - natürlich weiterhin von den Profis vorzunehmen.  

 

In diesem Sinn ist es auch in der täglichen Arbeit für viele von uns nötig, den Umgang mit wichtigen Softwares und Content-Management-Systemen wie Microsoft Excel, Adobe Photoshop oder Wordpress on the Job zu erlernen. Damit man nicht ständig von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der entsprechenden Fachabteilung abhängig ist. Für den einen oder die andere unter uns geht es dann noch einen Schritt weiter: Die Grundlagen für die Web-Gestaltung, HTML und CSS, mitunter auch weitere Programmiersprachen sind bald erlernt; oder sie sind zumindest so weit verstanden, um Fehler zu erkennen und Projektvorhaben beurteilen zu können.  

 

Ganz klar ist: In unserer zunehmend auf Code basierenden (Arbeits-) Welt werden immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesucht, die sich genau darauf einlassen. Nämlich nicht nur die haptischen Produkte und erlebbaren Services zu nutzen oder zu verkaufen, sondern auch das verstehen zu wollen, was hinter dem 3D-gedruckten Objekt und der bunten, Spaß versprechenden App steckt. Wir müssen deswegen nicht alle selbst zum Software-Entwickler zu werden. Aber es braucht Expertinnen und Experten in jedem Arbeitsbereich, die die Wünsche und Ansprüche von Kundinnen und Kunden in Anforderungen an die IT und an die Produktentwicklung „übersetzen können. Ihnen steht eine ordentliche Karriere bevor. 

 

Photo by nine koepfer on Unsplash